Love is in the air

Da glänzt die Goldkette

Noch eine dreiviertel Stunde, bis mein Online-Seminar losgeht. Ich brauche frische Luft und Bewegung, bevor ich die nächsten Stunden vor dem Laptop sitze. Also schnappe ich mir die Hunde und wir drehen noch rasch eine Runde.  

Unsere Strecke ist die Mainstreet für die Hundehalter der Nachbarschaft. An jedem Busch bleibt Fiete hängen, an jedem zweiten plustert er sich auf und scharrt nach dem Pinkeln die Grasnarbe durch die Landschaft. Fasziniert folge ich mit dem Blick der Flugbahn der Büschel und freue mich über die Kraft in seiner HD-geplagten Hüfte. 

Auf der Hälfte der Strecke hat er sich warm gescharrt. Er scheint fünf Zentimeter gewachsen zu sein. Die Frisur sitzt, die Goldkette glänzt, die Stadt gehört ihm. Und in dem Moment, als er den Blick zufrieden über seine Hood schweifen lässt, erscheint sie am Horizont: eine Molosser-Hündin wie aus dem Bilderbuch. Groß gebaut, karamellbraunes Fell, schlanke Beine, muskulöse Brust. Als Fiete sie sieht, scheint die Zeit still zu stehen. Ich bin mir sicher, er hört die Chöre der Engel singen und seine Welt bewegt sich nur noch in Slow Motion.  

Der Löwe auf Gazellen-Jagd

Mit steifem Gang und starrem Blick stakst er auf seine Auserwählte zu. Es soll wohl eine Anmache sein, wirkt aber eher wie ein Löwe auf Gazellen-Jagd. Gentleman-like geht anders. Die Reaktion seiner Auserwählten folgt auf dem Fuß. Sie möchte gern weg und ihre Halterin hat alle Hände voll zu tun, ihren Weg in unsere Richtung fortzusetzen. 

Fiete übersieht ihre Fluchtgedanken geflissentlich und legt nach. “Hey Praline, darf ich dich vernaschen?” flirtet er mit wippenden Augenbrauen und gesenkten Lidern in ihre Richtung. Fehlt nur noch die Hand am Gemächt. Mein Blick geht entschuldigend in Richtung der Halterin. Mal wieder eine Gelegenheit, um mit meinem Thema des Fremdschämens aufzuräumen. Sie nimmt es mit Humor. Dabei kann Fiete echt süß und charmant sein. Wenn das Eis gebrochen ist, ist er rücksichtsvoll und vorsichtig, aber eben nicht beim ersten Kennenlernen. Da benimmt er sich wie ein sechzehnjähriger pickliger Teenager bei seiner ersten Übernachtungsparty mit Wodka-Shot-auf-Zeit-trinken. 

Zu jung für eine Oma

Irgendwie schaffen wir es dann doch noch, aneinander vorbeizukommen. Als wir uns vor der nächsten Kurve noch mal umdrehen, stehen auch die Praline und ihre Halterin auf dem Weg und schauen uns nach. Ich könnte schwören, Fietes Zukünftige ruft ihre Telefonnummer zu uns rüber. Scheinbar hat die Flirtattacke, mit Abstand betrachtet, Eindruck hinterlassen. Wie gut, dass Fiete nichts zu schreiben dabei hat. Ich bin noch zu jung, um Oma zu werden. 

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